Kommentierung zu Presseartikeln betreffend Windkraftvorhaben in Sulz am Neckar

Die Südwest Presse bietet den Fraktionsvorsitzenden im Sulzer Gemeinderat erneut die große Bühne. Aber von dem, was die Fraktionsvorsitzenden von sich geben, ist nahezu kein Wort zutreffend. Dass die Südwest Presse so etwas abdruckt, ist bedenklich.

Die Fassungslosen
Text im Artikel:Fassungslos haben wir die Stellungnahme der Vertrauensleute zu dem am 17. Dezember 2024 gefassten Beschluss des Gemeinderats wahrgenommen, bei welchem der Gemeinderat folgerichtig den Termin des Bürgerentscheids auf den Tag der Bundestagswahl festlegte“, schreiben André Amon (SPD/Grüne), Jürgen Huber (FW) und Tobias Nübel (CDU). Wieder einmal akzeptierten die Windkraftgegner eine demokratisch und mit großer Mehrheit gefasste Entscheidung für den Termin des Bürgerentscheids am 23. Februar nicht, heißt es weiter. Dabei habe der neue Gemeinderat diese Terminentscheidung mit 12 Ja- zu 3 Nein-Stimmen beschlossen."

Kommentierung: 

  • Wer als Gemeinderat bei einer Stellungnahme einer Gruppe von Bürgern die Fassung verliert, gehört nicht in dieses Amt.
  • Die Stellungnahme der Vertrauensleute wurde vor der Beschlussfassung des Gemeinderats abgegeben. Es ist also pure Faktenverzerrung jetzt zu sagen, die Gegner von Windkraft im Wald würden eine "demokratisch gefasste Entscheidung" nicht akzeptieren. Sind die Vertrauensleute rechtlich gegen die Entscheidung vom 17.12. vorgegangen? Nein. Möglich wäre dies aber gewesen.
  • Dass Amon, Nübel und Huber den gesamten Bürgerentscheid als "undemokratisch" sehen, wurde ja bereits in vorherigen Presseartikeln geäußert - schließlich habe das demokratisch gewählte Gremium Gemeinderat entschieden. Insbesondere Herr Nübel scheint mit der Rechtsordnung ein Problem zu haben, die Bürgerentscheide ermöglicht. Wenn ein per Unterschriftensammlung erzwungener Bürgerentscheid undemokratisch ist, warum hat der Gemeinderat ihn dann am 17.12. zugelassen?   

Falsche Darstellung der Rechtslage
Text im Artikel: "Zum wiederholten Male würden die Stadt und einzelne Stadträte mit „haltlosen Anschuldigungen“ angegangen. Auch werde dem Gemeinderat und der Stadt vorgeworfen, kein Entgegenkommen zu zeigen und unfair zu agieren. Patrik Helbig (Vertrauensperson für das Bürgerbegehren, Anm. d. Red) habe offensichtlich vergessen, dass allein die Tatsache des gewährten Rederechts im Gemeinderat eines der „vielen Entgegenkommen“ gewesen sei, welche Stadt und Gemeinderat im Verlauf der Vorgänge der Initiative gewährten."

Kommentierung:

  • Es ist schlicht unzutreffend, dass "einzelnen Stadträte" mit "haltlosen Anschuldigungen" in der Stellungnahme der Vertrauenspersonen "angegangen" wurden. 
  • Das Rederecht der Vertrauenspersonen im Gemeinderat ist rechtlich fixiert in § 21 Absatz 4 Gemeindeordnung Baden-Württemberg: Über die Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens entscheidet der Gemeinderat nach Anhörung der Vertrauenspersonen". Eine Anhörung im Gemeinderat war bislang nicht erfolgt, dies geschah erst am 17. Dezember 2024. Entweder kennen die drei Herren die Rechtslage nicht oder sie stellen dies absichtlich unzutreffend dar. Das ist also kein Entgegenkommen, sondern nicht mehr als die rechtliche Pflicht des Gemeinderats. 
  • Der Initiative Pro Wind wurde in der ersten Wahlkampfrunde gratis die Plakatierung auf durch Kräfte der Stadtverwaltung aufgestellten Bauzäunen auf öffentlichen Flächen erlaubt, von den Gegnern der Windkraftprojekte will man dafür Geld haben. In der Informationsbroschüre der Gemeinde haben die Gegner nur eine Seite erhalten, der Rest war "pro Windkraft". Wo ist also das "viele Entgegenkommen"? 
  • Hier gibt es kein großmütiges Entgegenkommen, sondern man hat allenfalls gemacht, zu was man rechtlich verpflichtet war.

Was sind wir doch rechtlich sauber unterwegs...
Text im Artikel: "Festzuhalten ist weiterhin, dass der Gemeinderat, nachdem zwei unabhängige Rechtsgutachten die eingereichte Fragestellung als rechtlich angriffsfähig eingestuft hatten, der Gemeinderat freiwillig einen Bürgerentscheid mit einer sinngemäß gleichen Fragestellung beschloss. Auch eine Ablehnung wäre in diesem Zug möglich gewesen. Eine rechtliche Prüfung war zwingend notwendig, um das Ergebnis des Bürgerentscheids gegen Anfechtungen rechtlich abzusichern.“

Kommentierung:

  • Ein Rechtsgutachten, das ein Gericht beauftragt, ist unabhängig. Wenn aber jemand anderes zu einem Rechtsanwalt läuft und ihm erklärt, was er will, erhält er nie ein unabhängiges Ergebnis, denn der Anwalt ist parteilich und steht im Lager des Mandanten. 
  • Die Rechtsgutachten waren totaler juristischer Schrott - das ergibt sich in einer Gesamtschau, wenn man den Bescheid des Verwaltungsgerichts Freiburg liest. 
  • Das zweite Gutachten lag den Gemeinderatsmitgliedern bei der Beschlussfassung gar nicht vor. Dieses zweite Gutachten bemühte sich zwar um Kritik am Bürgerbegehren, legte im Tenor die Rechtmäßigkeit der Fragestellung des Bürgerbegehrens nahe.
  • Wenn der Gemeinderat dem ersten Rechtsgutachten gefolgt wäre, hätte er den Bürgerentscheid komplett ablehnen müssen. Warum hat man also einen mit "sinngemäß gleicher Fragestellung" beschlossen? Aus Großmütigkeit? Nein, sondern weil man wusste, dass dieses Rechtsgutachten vor Gericht nie standhält. Daher der Beschluss eines fast gleichlautenden Bürgerentscheids mit dem man die Vertrauenspersonen abschießen wollte und gleichzeitig haben sich die Windkraft-Lobbyisten mit einer Fragestellung, bei der für die Befürwortung des Windkraftprojekts mit "Ja" gestimmt werden muss, mehr Erfolgsaussichten versprochen.Angeblich

Angebliche Wohltaten, die keine sind
Text im Artikel: "Der Gemeinderat habe nicht nur die maximale Anzahl der Windräder auf der Dicke auf sechs Stück begrenzt, sondern auch den gesetzlich festgelegten Mindestabstand zur Wohnbebauung von 750 und 500 Metern auf mindestens 1000 Meter angehoben. Zudem habe das Gremium die Windkraftanlagenbetreiber dazu verpflichtet, ein freiwilliges Umweltgutachten zu erstellen. All dies seien Standards, die der Gemeinderat Sulz über die gesetzlichen Vorgaben hinaus beschlossen habe und welche bei einer privaten Verpachtung von Flächen nicht zur Anwendung kommen würden."

Kommentierung:

  • Bei einem Abstand von 500 oder 750 Metern wäre die Lärmbelästigung der Bürger so groß, dass es Klagen geben würde und die (dann errichteten) Windkraftanlagen dauerhaft abgeschaltet werden müssten (vgl. Unterlage der Gemeinde zur Schallausbreitung). Die 1.000 Meter sind also keine "Wohltat" sondern ein Zwang. 
  • Warum sollte es Nübel, Amon und Huber auch um das Wohl aller Sulzer Bürger gehen? Alle drei kritisieren doch, dass es den Gegner der Windkraftprojekte nur um die Optik gehe und dass die Finanzen der Gemeinde und die Rettung des Weltklimas alles andere rechtfertigen.
  • Sich mit einem "freiwilligen Umweltgutachten" des Unternehmens exkulpieren zu wollen, das mit dem Windpark dann den großen Subventions-Reibach macht, ist nicht ernst zu nehmen. Hat schon mal jemand erlebt, dass ein Gutachten von der Partei, die mit einem Projekt Geld verdienen will, dazu kommt, dass das Projekt umweltschädlich ist?

Fehlendes Demokratieverständnis
Text im Artikel: "Dies sowie alle demokratisch gefassten Entscheidungen des Gemeinderats würden von den Vertrauensleuten nicht nur ignoriert, sondern bewusst in ein schlechtes Licht gerückt, um Schlagzeilen für ihre Sache zu generieren, schreiben Amon, Huber und Nübel."

Kommentierung:

  • Es ist das Demokratieverständnis von Amon, Huber und Nübel, das defizitär ist und nicht das der Vertrauensleute. Amon, Huber und Nübel halten es offensichtlich für Majestätsbeleidigung, dass Bürger sich nicht einer Entscheidung eines Gemeinderats fügen, sondern das ihnen gesetzlich zustehende Recht auf einen Bürgerentscheid wahrnehmen. Im Kern haben alle drei offensichtlich eher eine totalitäre, als eine demokratische politische Einstellung: Was von oben beschlossen wird, das haben die Bürger gefälligst zu akzeptieren.

Wer hat den Vorteil bei gleichzeitiger Durchführung mit der Bundestagswahl?
Text im Artikel: "„Es ist jetzt allerhöchste Zeit eine Entscheidung herbeizuführen, und da stellen sich die Vertrauensleute im Gemeinderat hin und verkünden eine Befriedung der Debatte, wenn man die Abstimmung auf den rechtlich letztmöglichen Termin im April verlegt. Eine heuchlerische Argumentation, welche die große Mehrheit des Gemeinderats nicht akzeptierte. Dabei ist die Intention der Vertrauensleute offensichtlich. Sie fürchten die Zusammenlegung der Abstimmung mit der Bundestagswahl und damit eine hohe Wahlbeteiligung wie der Teufel das Weihwasser
[...] Nichts gefährde den Erfolg der Gegner mehr als eine hohe Wahlbeteiligung, sind sich die Fraktionssprecher sicher.

Kommentierung:

  • Die Gegner der Windkraftprojekte in städtischen Wäldern sehen eher einen Vorteil im Zusammenfallen mit der Bundestagswahl, denn das größte Risiko für sie ist, dass das Quorum von 20% der Wahlberechtigten bei einem separaten Termin nicht zustande kommt. Bei einer knappen Entscheidung müssten nämlich knapp 40% der Wahlberechtigten an einem separaten Wahltag zur Urne gehen - das wäre schwer zu erreichen. In Vöhringen fiel der Bürgerentscheid mit der Kommunalwahl zusammen - und die Gegner haben trotzdem gewonnen. Aber im Unterschied zu Vöhringen würde ein Herr Keucher und die Einnahme-orientierte Gemeinderatsmitglieder niemals eine Mehrheitsentscheidung akzeptieren, wenn nicht gleichzeitig das 20%-Quorum erreicht würde.
  • Die von den Vertrauensleuten beantragte Verschiebung auf den 6. April 2025 war im Sinne der Bedeutung des Themas und der Fairness: Herr Keucher finanziert den Bürgerentscheidswahlkampf (für FWV, CDU und SPD gleich mit) aus der Stadtkasse, die Projektgegner müssen erst wieder finanzielle Mittel beschaffen. Im Bundestagswahlkampf gehen Maßnahmen für den Bürgerentscheid auch unter - wer nimmt denn ein Pro Wind-Plakat wahr, wenn es zwischen zig Wahlplakaten der Parteien hängt? Wen interessiert das Thema in der Hochzeit der Fasnacht?

Framing: Wer gegen die Windkraftprojekte ist, ist auch rechtsextrem
Text im Artikel: "Im Laufe der Debatte sei von AfD-Sympathisanten sogar der Bau eines Atomkraftwerkes samt Endlager im Sulzer Stollen ins Gespräch gebracht worden. „Einen noch größeren Blödsinn kann man wohl kaum in die Welt setzen.
[...]
Zweifellos seien in den Reihen der Gegner auch Kräfte am Werk, die dem politisch rechten Rand zuzuordnen seien.“

Kommentierung:

  • Ein modernes Klein-AKW wurde von einem AfD-Stadtrat ins Gespräch gebracht.
  • Ob das und die Endlageridee eine gute Idee ist, kann natürlich bezweifelt werden. Aber was in dem Presseartikel geschieht, ist offensichtlich: "AfD-Sympathisanten" hätten das ins Spiel gebracht. Faktisch war es ein Gemeinderatskollege. Aber nachdem der ganze Artikel bislang von den Vertrauensleuten handelte, wird damit suggeriert: Das sind alles AfD-Sympathisanten. 
  • In der folgenden Diskussion wurde bekannt, dass es unter der Dicke einen großen (und sich ständig vergrößernden) Salzstollen gibt. Die Dicke steht zum Großteil auf Keuper, was zusammen mit dem Salzstollen eine fragile geologische Gemengelage ist - vor allem wenn man tausende von Tonnen schwere Fundamente für Windkraftanlagen darauf setzen will.

Eingeständnis fehlender Sensibilität
Text im Artikel: "Die Verfasser der Stellungnahme räumen ein: „Sicher hätte die Kommunikation zu den Windkraftprojekten an der ein oder anderen Stelle mehr Sensibilität erfordert. Dennoch hat der Gemeinderat sich über viele Monate in vielen Stunden intensiv mit allen Sachverhalten der Windkraft und insbesondere der Windkraft im Wald auseinandergesetzt.

Kommentierung:

  • Das ist zutreffend.
  • Das Problem ist, dass der Gemeinderat die Windparks im Wald durchziehen wollte, ohne die Bürger mitzunehmen > vgl. Chronologie.

Unzutreffende Schlussfolgerungen
Text im Artikel: "Die größte Bedrohung der Wälder sei der Klimawandel. Windräder seien deshalb Klimaschutz. Und Klimaschutz sei Waldschutz, während der Eingriff in den Wald minimal sei und zudem durch Aufforstungen an anderer Stelle wieder ausgeglichen werde. Die drei Fraktionssprecher appellieren daher an die Sulzerinnen und Sulzer: „Wir bitten Sie, gehen Sie zur Wahl, treffen Sie eine gute Entscheidung für die künftigen Generationen und auch für den Wohlstand in unserer Stadt. Denn die Stadt sind wir, wir alle zusammen, alle 13.000 Menschen in unserem Stadtgebiet.

Kommentierung:

  • Die größte Bedrohung mag der Klimawandel sein. Aber ein Atomkraftwerk - das mag einem gefallen oder nicht - hat keinen höheren CO2-Ausstoß als eine Windkraftanlage*. Wie kommt man also von der Aussage "Klimawandel = größte Bedrohung für den Wald" zur Aussage "Windräder sind Klimaschutz" - wenn man den Wald dafür abholzen will? 
  • Klimaschutz ist unbestritten Waldschutz und Obst ist unbestritten gesund. Aber es gibt eben keine stichhaltige Argumentationskette, die das Abholzen von Wald für Windkraftanlagen als "gut für den Wald" belegt. Denn man kann die Windkraftanlagen auch an anderen Orten errichten. 
  • Aufforsten an anderer Stelle? Gerne aber zusätzlich und nicht nur als Ersatz! Dann ist dem Klima wirklich geholfen. > Lesen Sie hier, warum es sinnvoller ist, Wald mit heimischen Laubbaumarten aufzuforsten, statt ihn für Windkraft abzuholzen
  • Das Weltklima wird mit Windkraftanlagen auf der Dicke oder im Binsenwasen nicht gerettet. 
  • Windkraftstrom ist Schwankungsstrom. Wie sinnvoll ein weiterer Ausbau nach "Flächenvorgabe" ist, ist mittlerweile höchst umstritten. Nachfolgende Generationen werden mit erheblichen Kosten belastet. 
  • Zweifelsfrei: Für den "Wohlstand unserer Stadt" sind Einnahmen aus Windkraftverpachtung besser, als keine Einnahmen. Aber der Erhalt des Landschaftsbildes, des Naherholungsgebietes, der Ruhe und der persönlichen Gesundheit muss einem auch etwas wert sein.

*) Eine Studie der Universität Stuttgart, die auf 15 unabhängigen Studien basiert, hat nachgewiesen, dass die spezifischen CO2-Emissionen der nuklearen Stromerzeugung im Mittel etwa 7,5 g CO2 pro kWh Strom aufweisen.
Das Umweltbundesamt hat im Jahr 2021 die Ökobilanz von Windkraftanlagen untersucht. Je nach Standort ergab sich für den kompletten Lebenszyklus einer Windkraftanlage inklusive Recycling ein Treibhausausstoß von durchschnittlich 10,6 g CO2 pro kWh Strom.

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